Spieletest

Hogwarts Legacy – Gamecheck

Vorwort

Die Autorin des Harry Potter Universums J. K. Rowling steht unter anderem für transphobe Äußerungen heftig in der Kritik. Diese ist so weitreichend, dass viele zu einem Kaufboykott von Hogwarts Legacy aufrufen, da J. K. Rowling durch die Lizenzrechte hieran mitverdient. Diese Diskussion ist vielschichtig und dieser könnten wir in einem kurzen Spieletest nicht gerecht werden, weswegen wir an dieser Stelle auch lediglich das Spiel an sich betrachten und bewerten. Wir möchten aber explizit auf diese Diskussion aufmerksam machen, gleichzeitig aber auch erwähnen, dass der Großteil der Einnahmen immer noch den Entwicklern selbst zugute kommt. Im Endeffekt muss hier jeder eine individuelle Entscheidung treffen.

 

Welt

Die Meisten kennen die bekannte Welt der Hexen und Zauberer in welcher unter anderen „Harry Potter“ und „Fantastische Tierwesen“ angesiedelt sind. Viele sind mit diesen Geschichten sogar aufgewachsen, seien es durch Bücher oder Filme. Entsprechend groß sind die Erwartungen an ein Spiel, dass einem so großen Franchise gerecht werden möchte. Dies gilt insbesondere, im Gegensatz zu bisherigen eingeschränkten Action-Adventures, wenn eine offene Spielwelt versprochen wird.

Umso erfreulicher ist es, dass die Entwickler von Avalanche Software es geschafft haben eine sehr glaubwürdige und detailverliebte Spielumgebung zu erschaffen, die mit Abstand das Beste ist, was es bisher in einem Videospiel hierzu gab.

Beginnen wir mit dem Graphorn im Raum, wie sieht das Schloss Hogwarts aus? Es ist schlicht fantastisch! An jeder Ecke sind bekannte Umgebungen wiederzuerkennen, Geheimnisse und Rätsel zu lösen sowie Schüler und Schülerinnen bei Ihren magischen Aktivitäten zu beobachten. Das Schloss ist riesig und trotz der Möglichkeit verschiedene Schnellreisepunkte zu verwenden, sind wir fast immer teils lange Laufwege zu Fuß gegangen, um die Atmosphäre aufzusaugen und Ausschau nach kleinen Rätseln zu halten. Dieses berühmte Gebäude nachzubauen war mit Sicherheit eine große Herausforderung, da die Architektur innerhalb allein der Harry Potter Filmreihe teilweise stark abweicht und nur sehr ausschnitthaft dokumentiert ist. So gibt es auch hier Ecken, die aus den Filmen ein wenig anders optisch bekannt sind, diese sind aber erstaunlicherweise Ausnahmen, welche auch nicht störend anders sind oder nur minimal abweichen. Der Großteil der Räume sieht so aus, wie sie in unseren Köpfen sind. Hier kann durchaus von einer Meisterleistung gesprochen werden. Wir haben nur einen Kritikpunkt, schaut euch die NPCs nicht zu genau an. Versteht Sie als traumhafte Kulisse, aber erwartet keine Interaktion. Wenn ihr andere Charaktere anrempelt oder sogar einen Explosionszauber in ihre Mitte zaubert, passiert nichts. Die NPCs bleiben an Ort und Stelle und lassen sich lediglich hin und wieder zu einem müden Kommentar herab. Hier wäre eventuell ein dynamisches Hauspunktesystem interessant gewesen, welches uns für zu groben Unsinn im Schloss bestraft, damit wir nicht aus Lust und Laune mit Bombarda um uns werfen. So gibt es nun keine Konsequenzen, aber auch keine Reaktionen. Wie schön wäre es wenn wir einem Schüler, der dazu verflucht wurde in der Luft zu schweben und von seinen Mitschülern allein gelassen wurde, mit einem Gegenzauber helfen könnten und dafür Hauspunkte erhalten würden. So bleibt es eine sehr schöne und bezaubernde Kulisse, bei welcher es bei dieser Betrachtung nicht stört, wenn Hexen und Zauberer in der großen Halle genau zwischen zwei Tellern sitzen und genüsslich schmatzend mit der Gabel in den Holztisch stechen.

Wie sieht es mit weiteren bekannten Orten wie der Winkelgasse und Hogsmeade aus? Da die Winkelgasse sich in London befindet, ist diese leider nicht Teil des Spiels. Die Rolle des Handelszentrums übernimmt dafür aber sehr gekonnt das schöne Dorf Hogsmeade, welches ebenso liebevoll mit allen bekannten Läden gestaltet wurde wie Hogwarts. Zusätzlich gibt es weitere Gebäude und Händler. Der etwas abseits gelegene Bahnhof sowie die bekannte Zugbrücke sind ebenfalls zu entdecken.

Die restliche Welt besteht aus winzigen Dörfern, Ruinen, Höhlen und Lagern. Nicht zu vergessen natürlich die Natur mit dem verbotenen Wald, Klippen, Seen und Flüssen. Viele diese Dinge sind zwar Open World typisch wesentlich generischer als die bekannten Sehenswürdigkeiten, aber auch diese sind mit Liebe zum Detail und abwechslungsreich gestaltet. Auch hier haben wir häufig lieber den Besen ausgepackt und sind mit diesem umhergeflogen anstatt die gute und engmaschige Schnellreise zu verwenden.

Untermalt wird die Welt von schönen dynamischen Sounds und Soundtracks.

 

Charakter

Zu Beginn erstellt ihr euch einen eigenen Charakter ganz nach euren Vorstellungen. Allerdings beginnen wir direkt mit einem Schüler der fünften Klasse und sind demnach bereits 15 oder 16 Jahre alt. Der Editor bietet dabei genug Optionen um euch euren Wunschschüler erschaffen zu lassen, hätte an der ein oder anderen Stelle aber durchaus auch etwas vielfältiger sein können. Beispielsweise kann die Größe sowie das Gewicht nicht eingestellt werden. Gerade die Körpermasse ist hier ein Kritikpunkt, der nicht nur die Identifikation für manche erschweren könnte, sondern auch die Mitschüler sind niemals in irgendeiner Form dick oder dünn. Ebenso die Lehrer und die meisten anderen NPCs. Das ist Schade und hätte noch mehr zur Welt beigetragen. So sind unterschiedliche Hautfarben und die ein oder andere Andeutung auf Transpersonen, die einzige wirkliche Diversität im Spiel. Erfreulich ist jedoch, dass wir, wie es mehr und mehr Genrestandard wird, uns nicht entscheiden müssen männlich oder weiblich zu sein, unsere Körperform, Stimme und wie wir angesprochen werden, wählen wir unabhängig voneinander. Nach der ereignisreichen Reise Richtung Hogwarts, welche auch als Tutorial dient, werdet ihr vom sprechenden Hut schließlich einem Haus zugeteilt. Dies geschieht auf Grundlage von lediglich zwei Fragen, da wären ein paar mehr Fragen wünschenswert gewesen. Wer im vorhin bereits bei Wizarding World einen ausfühlicheren Fragebogen absolviert hat und seinen Account entsprechend verknüpft hat, bekommt dieses Haus vorgeschlagen. So oder so, könnt ihr der Vorauswahl auch widersprechen und anschließend frei euer Haus wählen. Ab diesen Punkt geht es richtig mit eurem Abenteuer los.

 

Anpassbarkeit

Euer Charakter kann jederzeit optisch in Hogsmeade angepasst werden, lediglich Stimme, Körperform und Ansprache sowie der Name stehen fest. Außerdem könnt ihr das Aussehen all eurer Kleidungsstücke jederzeit und an jedem Ort ganz einfach über das Menü anpassen. Hierbei stehen euch alle Aussehen zur Verfügung, die ihr bereits durch Quests oder bereits einmal im Besitz gehabten Kleidungsstücken freigeschaltet habt. Ihr könnt so also immer die besten Kleidungsstücke nutzen und den Rest verkaufen, und trotzdem das Aussehen der bereits verkauften Klamotten auswählen.

Im Laufe der Geschichte schaltet ihr den Raum der Wünsche frei, den ihr ganz nach euren Vorstellungen einrichten sowie Tränke brauen, Pflanzen ziehen und Tiere züchten könnt.

 

Geschichte

Hogwarts Legacy beinhaltet genretypisch Haupt- und Nebenaufgaben sowie verstreute Open World Aktivitäten.

Letztere sind hierbei jedoch nie simple finde auf der Karte 100 Federn Aufgaben, sondern es gibt eine handvoll unterschiedliche Aktivitäten, die in großer Anzahl in der Welt verteilt sind und immer an jeweiligen Ort ein kleines Rätsel oder eine Kletterpassage von uns verlangen. Nichts komplexes, aber es motiviert die nähere Umgebung zu betrachten und lockert das Spielgeschehen positiv auf. Außerdem belohnen diese Aufgaben nach Abschluss von einer gewissen Anzahl zusätzlich mit neuen Inventar- und Magieplätzen sowie kosmetischen Outfits.

Haben wir eben behauptet, es gibt keine sammle X von Y? Gut, möglicherweise war das gelogen, aber nur, da uns das tatsächlich nicht störend aufgefallen ist. So können wir beispielsweise Buchseiten sammeln, die wir entweder an speziellen Orten sichtbar machen können und dann auch noch einen kleinen interessanten Text dazu erhalten, oder wir sammeln fliegendes Papier aus der Luft. Wir haben nichts davon bewusst gesucht, sondern diese immer wieder einfach mitgenommen wenn wir sie gesehen haben. Hinzu kommt, dass wir für Belohnungen nur eine gewisse Anzahl sammeln müssen, es aber deutlich mehr gibt als benötigt wird. Außerdem sind die Belohnungen für diese Art Aufgaben rein kosmetischer Natur, und daher nicht notwendig, da jedes Kleidungsstück, welches wir einmal im Inventar hatten auch sofort als Outfit zur Verfügung steht.

Die Hauptgeschichte dreht sich um unseren Charakter, der als Einziger in der Lage ist sogenannte „alte Magie“ zu sehen und auch zu nutzen. Wir stolpern zufällig über diese Begabung, doch ein böser Kobolt namens Ranrok ist hinter einer alten damit zusammenhängenden Macht her. Da wir die einzigen sind die alte Magie sehen können, liegt es in unseren Händen das Rätsel um diese Macht zu lösen um Ranrok zuvor zu kommen und diesen aufzuhalten. Ranrok ist außerdem der Anführer eines Koboltaufstandes, von dem in der weiteren Geschichte aber nie mehr wirklich etwas erwähnt wird. Abgesehen davon ist die Geschichte interessant und auf dem Weg stehen einige toll designte Dungeons und Erkenntnisse. Es macht Spaß dieses Abenteuer zu verfolgen, aber über den Status „solide“ kommt es trotz WOW-Momenten nicht wirklich hinaus. Auch unser Mentor Professor Fig, der anfangs sehr interessant wirkt, wird später leider nur noch zur dabeistehenden Nebenfigur deklassiert. Schade, da wäre mehr drin gewesen, das Potenzial ist da. Viel spannender ist da eine andere Geschichte, und damit kommen wir zu den Nebenquests.

Nebengeschichten sind aufgeteilt in Neben- und Beziehungsaufgaben. Ersteres sind einfache Aufgaben nach dem Motto gehe dorthin und erledige dies. Das klingt einfallsloser als es ist, denn auch wenn diese Aufgaben simpel sind, führen sie einen zu tollen Orten. Bei Beziehungsaufgaben verhält es sich anders, dies sind Geschehnisse von drei Schülern, die je eine Geschichte zum Erleben bieten. Aus unserer Sicht sind die Ereignisse rund um den Slytherin Sebastian Sallow die spannendsten und kontroversesten im Spiel. Diese müsst ihr auf jeden Fall bis zum Ende spielen. Die anderen beiden Schülerinnen haben interessante Geschichten, aber erreichen nie dieses Niveau.

Grundsätzlich lässt sich sagen, das alles macht Spaß und wird genährt von der tollen Spielwelt. Ein paar Kritikpunkte bleiben dann aber doch noch. Neue Zaubersprüche lernen wir in den meisten Fällen von Professoren, allerdings nur die Ersten wirklich im Unterricht. Alle anderen Zauber werden uns im Zuge von Zusatzübungen nach erreichen bestimmter Voraussetzungen einfach so gezeigt. Begründet wird dies damit, dass wir Wissen aufholen müssen, da wir direkt in der fünften Klasse starten. Wenn dies wenigstens noch nette Lehrumgebungen wären, aber nein, wir erledigen ein paar Voraussetzungen, gehen zu dem entsprechenden Lehrer/Lehrerin und haben direkt den Zauber und können wieder gehen. Das Gefühl Schüler an Hogwarts kommt trotz der abwechslungsreichen Professoren daher leider fast nie auf.

Ein weiterer Kritikpunkt ist das Einfangen von wilden Tieren. Es geht hierbei jetzt nicht um einen moralischen Ansatz im Bezug auf unsere reale Welt, wir töten schließlich auch Unmengen an diversen Lebewesen in solchen Spielen. Albern und ärgerlich wird es aber dann, wenn wir unterwegs sind und uns erzählt wird, wie schlimm doch Wilderer (einer der Hauptgegnertypen im Spiel) seien und wir die Tiere retten müssen. Wie machen wir das? Gehen wir zu Wilderern und befreien Tiere aus Ihren Käfigen? Das gibt es schließlich so im Spiel. Aber nein, wir gehen zu einem natürlichen Lebensraum/Nest/Bau der Tiere und fangen Sie da einfach aus der freien Natur. Uns wird konstatiert, dass wir das schnell gelernt und super gemacht haben und die Tiere nun sicher vor Wilderern sind. Das ist so ein Unsinn, da in diesem Fall tatsächlich wir selbst wildern. Die Tiere entlassen wir dann nämlich nicht wieder irgend woanders in die frei Natur, nein wir stecken Sie in unseren persönlichen Zoo, wo wir sie füttern, streicheln, züchten, ansehen und ihre Federn/Felle usw. sammeln können. Ist unser Zoo voll? Kein Problem, wir können die Tiere gewinnbringend in Hogsmeade verkaufen. Das macht die Begründung es wäre Tierschutz einfach absurd. Hinzu kommt, dass wir Wölfe, Spinnen und ähnliches nicht fangen dürfen, wohl aber töten, damit wir an deren Ressourcen kommen. Sehr inkonsequent und ein Paradebeispiel für Speziesismus.

 

Performance

Die meiste Zeit lief Hogwarts Legacy in unserem Test (PC) flüssig. Allerdings konnten wir trotzdem regelmäßig teils heftige Performance Einbrüche feststellen. Dies passierte nicht nur in optisch anspruchsvollen Gebieten, sondern teilweise auch einfach beim Öffnen des Menüs. Hier muss definitiv noch nachgebessert werden.

 

Fazit

Uns hat Hogwarts Legacy verzaubert. Die größte Stärke des Spiels ist seine Welt mit all den liebevollen Details. Die Geschichten reichen von interessant bis richtig motivierend. All dass lässt über die wenigen Kritikpunkte hinwegsehen. In einer Wertung ausgedrückt eine 8/10 und das mit Abstand bisher beste Spiel in der Wizarding World.